Geboren im niederschlesischen Sprottau, studierte Jürgen Borchhardt Klassische Archäologie, Alte Geschichte sowie Ur- und Frühgeschichte in Heidelberg und Berlin. Nach seiner Tätigkeit am Deutschen Archäologischen Institut in Istanbul habilitierte er in Frankfurt. Von 1982 bis zu seiner Pensionierung 2001 war Jürgen Borchhardt Professor am Institut für Klassische Archäologie der Universität Wien. Seine wissenschaftliche Lebensaufgabe waren die Grabungen in Limyra, in der antiken Kulturlandschaft Lykien gelegen, die er begründete und 33 Jahre lang erfolgreich leitete. An dieser archäologischen Stätte in der Südwesttürkei gelang ihm unter anderem die Entdeckung des Heroons des lykischen Königs perikle auf dem Burgberg, des Kenotaphs für Gaius Caesar und des Ptolemaions. Auf Jürgen Borchhardt gehen die Neuformierung der Klassischen Archäologie als eigenständiges Institut an der Universität Wien sowie die Mitinitiierung des ‚Archäologiezentrums‘ in der Franz-Klein-Gasse 1 zurück.
Jürgen Borchhardt verstand Klassische Archäologie als „die Wissenschaft vom Menschen“ und „die Wissenschaft vom Leben“, und folglich umspannt sein Oeuvre etwa Themen wie die Porträtforschung und den Herrscherkult in der Antike, das Denken und Handeln der Aristokratie im klassischen Lykien sowie das Gefolgschaftswesen, Stereotypen und Phänomene von Ethnizität und Fremdheit im Altertum, die Mythenforschung und lykische Bestattungsbräuche, den Parthenon und die Anakyklosis – Themen, die teils aus der Prägung durch die offene akademische Atmosphäre seiner Heidelberger Zeit erwuchsen, nicht selten aber auch aus seiner eigenen Biographie. Alternative Perspektiven auf die Antike aufzuzeigen und Zuhörer*innen mit Leidenschaft in den Bann antiker Kulturgeschichte zu ziehen, dies waren unverwechselbare Eigenschaften Borchhardts, die wir schmerzlich vermissen werden. Mit Jürgen Borchhardt verlieren die Universität Wien und die Archäologie Österreichs einen stets aufgeschlossenen Kollegen, begeisterungsfähigen und verständnisvollen akademischen Lehrer sowie großen Humanisten und Weltbürger.